Pestmatrikel

Erwin Naimer
„…und haben die Pasions-Tragedie
alle
 10 Jahre zu halten Verlobet…“


Die Oberammergauer „Pestmatrikel“ und das Passionsspiel

 

Die Gründungsurkunde des Passionsspiels
  1. Die „Pestmatrikel“ als Quelle
  2. Der Dreißigjährige Krieg
  3. Der Bericht der Dorfchronik
  4. Kritik am Chronikbericht
  5. Beschreibung der Sterbeeinträge
  6. Seuchentote und Bevölkerungszahl
  7. Die Entstehung der Epidemie
  8. Die Ortspfarrer – Opfer der Seuche
  9. Quellennachweise für Seuchentote
  10. Die Pest der Jahre 1634/35
  11. Die Notwendigkeit weiterer Forschung

 

 

 

 

1. Die „Pestmatrikel“ als Quelle

Seit mehr als 350 Jahren erfüllen die Einwohner Oberammergaus das Versprechen ihrer Vorfahren und bringen jedes zehnte Jahr „den Passion“ zur Aufführung. Eine Niederschrift des Gelübdes konnte aber bisher – und vermutlich wird dies auch in Zukunft so bleiben – nicht gefunden werden.
So ist der Forscher gezwungen, sich mit anderen Quellen zu behelfen, wenn er über die Entstehung des Passionsspieles Näheres erfahren möchte. Da nun die älteste Pfarrmatrikel, die sogenannte „Pestmatrikel“ von Oberammergau, die dringend notwendige Restaurierung erfahren hat, dient
dies als Anlaß, sie auf ihren Quellenwert hinsichtlich des Passionsspielgelübdes zu untersuchen.
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2. Der Dreißigjährige Krieg

Den zeitlichen Hintergrund des Oberammergauer Passionsspielgelübdes bildet der Dreißigjährige Krieg. Mit dem Eingreifen des schwedischen Königs Gustav Adolf in das Kampfgeschehen nach seiner Landung auf der Insel Usedom am 6. Juli 1630 hatte sich das Schlachtenglück zuungunsten der katholischen Mächte gewendet. Nachdem er 1631 Norddeutschland erobert hatte, brach der König im März 1632 mit seiner Armee aus den Winterquartieren auf und machte sich daran, in Bayern einzufallen.
Der Versuch des bayerischen Heerführers Tilly, die Schweden am Übergang über den Lech zu hindern, scheiterte am 14. April 1632 in der Schlacht bei Rain am Lech. Tilly wurde tödlich verwundet. Da der kaiserliche Feldherr Wallenstein nicht eingriff und der bayerische Kurfürst Maximilian sich mit den Resten seines Heeres nach Regensburg zurückzog, lag Bayern offen vor den Schweden. München wurde zwar gegen die Zahlung einer immensen Kriegskontribution verschont, doch für die Bewohner des flachen Landes begann eine Zeit der Not, von Plünderung, Brand, Mord und Totschlag.
Auch nachdem Gustav Adolf gegen Wallenstein bei Zirndorf Anfang August 1632 eine Niederlage erlitten hatte und er in der Schlacht von Lützen am 16. November 1632 sein Leben verlor, änderte sich wenig an
der Lage der bayerischen Landbevölkerung. Je nach Kriegsglück wurde sie von feindlichen oder kaiserlichen Truppen drangsaliert; Unterschiede gab es da kaum.
Erst der Sieg der kaiserlich-ligistischen und spanischen Truppen über die protestantischen Armeen bei Nördlingen am 5. und 6. November 1634 befreite das Kurfürstentum für zwölf Jahre vom unmittelbaren
Kriegsgeschehen. Allerdings wütete die von den Soldaten eingeschleppte Pest noch bis ins folgende Jahr.
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3. Der Bericht der Dorfchronik

Eine von einem unbekannten Verfasser erstellte handschriftliche Dorfchronik, die die Jahre 1485 bis 1733 umfaßt, schildert die Not der Kriegsjahre in Oberammergau während des ersten Schwedeneinfalls und
die Entstehung des Passionsspieles mit folgenden Worten:
„Anno 1631. Wegen dem noch fortdauernden
Schwedischen Krieg, theuren Zeiten, und Kriegs-Unruhen haben die Krankheiten sowohl in Bayern als
Schwaben eingerissen, so ist auch Allhier allenthalben ein hitziges Fieber oder Kopfwehe entstanden, daß sehr Viele Leuth daran gestorben sind.“
„Anno 1632 hat abermal der wilde Kopfwehe eingerissen, daß die Leuthe ganz unwissend fadennackend vom Beethe gesprungen, sind wieder viele Leuthe gestorben.“
„Anno 1633 hat die Pest aller Ort eingerissen, daß man Vermeint hat, die Leute gehen alle darauf. Dann in der Pfarr Kollgrub sind die Leuthe dermassen ausgestorben, daß nur 2 Paar Ehefolk anzutreffen gewesen, eines theils aus einen Hauß ist der Mann oder daß Weib gestorben, oder etliche Häußer gar ausgestorben, auch in Eschenlocher Pfarr, in denn Oberland sind erschröckhlich Viele Leuthe gestorben. Das Allhiesiege
Dorf hat mann mit der fleißigen Wacht erhalten, daß nichts ist hereinkommen, obwohlen die Leuthe allenthalben gestorben sind, bis auf unsern Kirchtag, da ist ein Mann Von hier, mit Nahmen Kaspar Schischler bey den Mayr in Eschenlohe Sommermader geweßen, dieser hat bey sich beschloßen, er wolle nach Hauß in die Kirchnacht gehen um einmahl zu sehen, was sein Weib und seine Kinder thun, so ist er über den Berg herum gegangen, und hinten herein, weil da kein Wacht gewesen, und sein Haus zunächst an der Lainen gestanden, so jetzt der Valentin Eyerl haußet, so ist er schon am Montag nach der  Kirchweihe eine Leich geweßen, weil er ein Pestzeichen an sich mit ihm herumgetragen. – Alsdann sind von selbigen Montag biß auf Simon und Judä Abend allhier 84 Persohnen gestorben; in diesen Leydweßen sind die Gemeinds-Leuthe Sechs und Zwölf zusammen gekommen, und haben die Pasions-Tragedie alle 10 Jahre zu halten Verlobet, und von dieser Zeit an ist kein einziger Mensch mehr gestorben. Obwohlen noch Etliche die Pestzeichen von dieser Krankheit an Ihnen hatten.
Alsdann ist diese Tragedie von 1634 gehalten worden bis auf 1680, damals hat mann Sie auf 10 Jahr Verlegt, und ist darnach allzeit also gehalten worden.“
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4. Kritik am Chronikbericht

Leider ist das Original dieser Handschrift verschollen, und nur der obige Auszug daraus ist als Druck in einem Aufsatz des bekannten Oberammergauer Pfarrers Joseph Aloys Daisenberger auf uns gekommen.
Schon Daisenberger sind einige Widersprüche in diesem Text aufgefallen, und auch andere Autoren haben Zweifel am Bericht der Chronik angemeldet. So kommt der Name „Kaspar Schischler“ im Sterbebuch unter den 1632/33 verstorbenen Oberammergauern nicht vor. Auch soll Valentin Eyerl erst ab 1680/1690 in den Matrikelbüchern aufscheinen; der Passus über die Entstehung des Passionsspiels ist also wohl aufgrund der Aussage alter Leute verfaßt worden.
Über den Verlauf der Seuche gibt die Quelle keine ausreichende Auskunft, doch wären, wenn man sich genauestens an den Wortlaut hält, nach Daisenbergers Aussage in nur rund einem Monat die 84 Personen der Epidemie zum Opfer gefallen. Zudem ist allgemein bekannt, daß die Pest in Bayern erst ab Mitte 1634 zu wüten begann. Dazu findet sich im ältesten Salbuch von Oberammergau die Notiz, daß am 14. Januar 1635 „…Caspar und Sebastian Faistemantl, beede gebrüeder allhie, in wehrender noth der sterwendten laiffen…“ ein Meßstiftung gemacht haben.
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5. Beschreibung der Sterbeeinträge

Die älteste Pfarrmatrikel von Oberammergau beinhaltet auf fol. 200r – 201r die Sterbefälle der Pfarrei in den Jahren 1632 – 1635. Dabei bilden die Seiten des Bandes, auf denen die Toten von 1626 bis 1633  verzeichnet sind, die ersten beiden Blätter der einstigen 30. Lage der ursprünglichen, später aber in der Abfolge der Seiten veränderten Matrikel. Sie schließen inhaltlich unmittelbar an das letzte Blatt der 29. Lage, das die Sterbefälle von 1621 bis 1625 enthält, an.
Alle drei tragen das Wasserzeichen der Papiermühle Landsberg am Lech, wie es durchgehend auch bei den anderen, nicht später eingefügten Lagen des Bandes zu sehen ist. Es handelt sich um das von einem Vierpaß und einem Kreis umgebene Stadtwappen, welches ein auf einem Dreiberg stehendes Kreuz zeigt. Das Landsberger Papier fand weite Verbreitung; die ältesten -vermutlich aber alle- Bögen für das Oberammergauer Buch müssen 1613 oder davor geschöpft worden sein.
Die alte Foliierung der Sterbefälle ist durchlaufend; sie schließt an das vorletzte Blatt der einstigen 29.  Lage, das Trauungen der Jahre 1643 und 1644 enthält und als fol. 197 beschriftet ist, unmittelbar an. Zudem zeigt fol. 197 Spuren einer alten Registermarke. Die Blätter der Sterbefälle tragen die Blattzählungen 198 – 201; bei fol. 201 ist zwar kein Wasserzeichen erkennbar, doch dadurch, daß hier die Sterbefälle von 1633 bis 1639 verzeichnet sind, die alte Foliierung sich auf dieses Blatt erstreckt und das Blatt in der Lage gebunden ist, auch wenn die übrigen Blätter fehlen, muß es von Anfang das dritte Blatt der einstigen 30. Lage gebildet haben.
Über die Anzahl der Hände, die die Sterbeeinträge geschrieben haben, ist schwer ein Urteil zu fällen, doch scheint es so, daß eine einzige Person die Sterbefälle ab Oktober/November 1632 bis Ende 1633 eingetragen hat. Es fällt auf, daß die Toten vom 27. Februar 1633 bis zum 16. Juli 1633 in regelmäßiger Schrift mit einer Tinte, deren Farbe nicht wechselt, eingeschrieben sind; vermutlich wurden diese Sterbefälle auf irgendwelchen Notizzetteln gesammelt und in einem Zug nachgetragen.
Dies könnte vielleicht auch schon einmal vom Dezember 1633 bis zum Februar 1633 so gemacht worden sein. Verglichen mit den vielen Toten des Jahres 1633 sind 1634 nur wenige Verstorbene vermerkt. Die Jahreszahl „1634“ und der Monatsname „Januarius“ wurden wohl gleichzeitig geschrieben, was erklärt, daß dann, weil niemand im Januar 1634 verstarb, kein Sterbeeintrag vorhanden ist.
Im Februar 1634 ist nach den zwei dort notierten Todesfällen ein unbeschriebener Freiraum vorhanden; danach sind die Verstorbenen der Monate Mai und Juli verzeichnet. Möglicherweise wurde also etwas Platz
für später doch nicht erfolgte Nachträge gelassen. Nach den Toten des Juli 1634 ist unmittelbar anschließend ein Sterbefall vom März 1636 notiert.
Da es unwahrscheinlich erscheint, daß in diesem Zeitraum von fast 1 ¾ Jahren niemand gestorben ist, besteht hier wohl eine zeitliche Lücke. Direkt anschließend sind die Toten vom Februar 1637 bis zum Juli dieses Jahres eingetragen und dann folgt das Verzeichnis der Sterbefälle ab dem November 1639. Es bestehen also offensichtlich auch hier Lücken. Ab März 1636 wechselt die Hand, und es findet Rußtinte Verwendung. Die Eintragung „Anno 38“ vor dem Juni 1637 scheint ein späterer Nachtrag zu sein.
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6. Seuchentote und Bevölkerungszahl

Ergibt sich aus dem bisher Gesagten, daß die Einträge von Zeitgenossen vorgenommen wurden und in der richtigen Reihenfolge stehen, so soll nun deren Inhalt betrachtet werden. Schon Pfarrer Daisenberger hat
vorgeschlagen, daß nicht – wie aus der Chronik zu entnehmen wäre – die Toten des Monats Oktober 1633 zu zählen sind. Vielmehr verweist er darauf, daß wohl die Toten von etwas mehr als einem Jahr, also vom
Oberammergauer Kirchweihfest 1632, das laut Johann Baptist Prechtl auf den 28. September (laut eigener Berechnung: 3. Oktober) gefallen ist, bis zum Fest Simon und Juda 1633, das am 28. Oktober gefeiert wird, zu berücksichtigen seien. In diesem Zeitraum sind 80 Personen verstorben, wobei aber Kinder vermutlich nicht eingeschrieben wurden, denn es fehlt jeder weitere Hinweis, wie „infans“, „puer“, „puella“ oder ähnliches. Eine bloße Nennung nur mit Vor- und Familiennamen für Kinder wäre doch eher ungewöhnlich, obwohl P. Schaller dies annimmt.
Nach dem Sterbebuch dürfte die Seuche ihren Höhepunkt im März erreicht haben und schon Ende Juni 1633 so ziemlich erloschen sein, denn in den nächsten sechs Monaten verstarben nur sechs Personen. Die Chronik ist also wohl nicht immer völlig genau in ihren Aussagen.
Pfarrer Daisenberger setzt für diese Jahre eine Bevölkerungszahl an, die etwa der entsprochen haben soll, wie sie um 1850 in Oberammergau existierte; dies wären 1064 Personen. Die Visitationsakten von 1560
führen für Oberammergau 450 Kommunikanten an. Da dazu noch etwa 15 – 20% für Kinder und Unzurechnungsfähige hinzuzuzählen sind, dürfte die Bevölkerungszahl damals etwa 530 Personen betragen haben. Um 1740 waren zusammen mit Unterammergau 1500 Kommunikanten vorhanden, was insgesamt rund 1760 Einwohner ergibt.
Damit erscheint eine Bevölkerung von 1064 Personen 1633 – wenn man etwa 700 Einwohner für Unterammergau ansetzt (1814: Oberammergau 907 Einwohner, Unterammergau: 736 Einwohner)- wohl eher zu hoch gegriffen, und es ist mit rund 800 – 900 Personen zu rechnen, auch wenn die Seelenzahl vor dem Dreißigjährigen Krieg stark angestiegen sein soll.
Es wären 1632/33 also immerhin etwa 10 % der Bevölkerung gestorben. Dies dürfte doch ein Passionsspielgelübde gerechtfertigt haben, insbesondere wenn man bedenkt, daß das Ende der Seuche zum Zeitpunkt des Gelöbnisses sicherlich nicht absehbar war.
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7. Die Entstehung der Epidemie

Was läßt sich nun aber über die Toten aussagen? Wie bereits erwähnt, ist Kaspar Schischler, der angeblich die Pest nach Oberammergau gebracht hat, nicht unter den Verstorbenen aufgeführt. Im vorderen Teil wird im Verzeichnis der Jahrtage mehrmals der Name erwähnt. P. Stephan Schaller versucht sein Fehlen in der Liste damit zu erklären, daß das Sterbebuch von Valentin Pauhofer geführt wurde, der Organist gewesen sein soll. Dieser habe nur diejenigen Toten verzeichnet, bei deren Begräbnis er etwas verdiente.
Das erscheint eher merkwürdig, und so verweist P. Schaller diejenigen, die nicht an die Geschichte mit Kaspar Schischler glauben wollen, auch noch auf die am 12. Dezember 1632 verstorbene Dienstmagd Agata Lindauer aus Kohlgrub, die die Seuche von dorther mitgebracht haben könnte. Da auch die Schweden anscheinend Oberammergau 1632 heimgesucht haben, wäre es zudem möglich, daß diese die Krankheit eingeschleppt haben. Schließlich könnte die Seuche auch durch das Rottwesen in den Ort gekommen sein.
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8. Die Ortspfarrer – Opfer der Seuche

Unter den Toten, die die Epidemie forderte, befanden sich zwei Pfarrer. Beide waren Augustinerchorherren aus dem Stift Rottenbuch, dem die Pfarrei Oberammergau inkorporiert war. Der erste von ihnen, Primus Cristeiner, trat 1612 oder 1613 in Rottenbuch ein und legte im Jahr 1614
seine Profeß ab. Am 14. September 1615 immatrikulierte er sich an der Universität in Ingolstadt. Im Augustinerchorherrenstift hatte er unter Propst Georg Siessmayr (resigniert 1619) das Amt des Subdekans inne. 1623 war er auf dem Hohenpeissenberg als Priester tätig, und von 1624 bis 1627 wirkte er in Obermeitingen als Pfarrvikar. Die Pfarrei Oberammergau vikarierte er wohl ab 1627. Am 5. Dezember 1631 ist in der Sterbematrikel von Oberammergau eine „frau Anna Maria Cristeinerin“ verzeichnet; vermutlich handelt es sich um eine Verwandte des Pfarrvikars, die den Haushalt für ihn besorgte.
Pater Primus Cristeiner selbst verstarb am 28. Januar 1633, er dürfte in der Ausübung seines Berufes der Seuche zum Opfer gefallen sein. Sein Tod ist auch im Nekrolog des Klosters Rottenbuch, allerdings unter dem 27. Januar (VI. Kalenden) verzeichnet. Die Jahreszahl 1633 ist über dem Text eingefügt worden, stammt aber wohl von der gleichen Hand. Im Sterbebuch der ebenfalls Rottenbuch inkorporierten Pfarrei Böbing ist der Tod Cristeiners ebenfalls unter dem 28. Januar 1633 notiert, wobei es sich nicht um einen Nachtrag handelt. Nach dem Tod Cristeiners übernahm Pater Marcellus Fatiga die Pfarrei.
Dieser wurde um 1602 -möglicherweise in Landshut oder Straubinggeboren; wie es scheint hatte er mindestens noch eine Schwester. Seine Cousine Maria Jacobe Fatiga war Nonne in Ober- oder Niederschönenfeld. Fatiga legte um 1619 seine Profeß ab. Am 25. November 1622 nahm er in
Ingolstadt als „Humanista“ ein Studium auf. Im September 1626 wird er als Subdiakon bezeichnet; er dürfte also bald darauf die Diakonats- und dann die Priesterweihe empfangen haben.
Fatiga scheint sich nicht recht ins Klosterleben eingefügt zu haben, da in den Visitationsakten von 1626 Klagen über seine mangelnde Disziplin vorhanden sind; ja er soll sogar in eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Mitbruder verwickelt gewesen sein. Im Januar 1632 sperrte der
Freisinger Bischof Veit Adam von Gepeckh Pater Marcellus für einige Tage bei Wasser und Brot in den Arrest, und nach seiner Rückkehr ins Kloster mußte er auch dort nochmals kurzzeitig bei Wasser und Brot in seiner Zelle verbleiben. Der Grund für die Bestrafung scheint neben anderem gewesen zu sein, daß er ohne Erlaubnis verreist war. Sein Tod ist im Oberammergauer Sterbebuch unter dem 19. März 1633
vermerkt; auch im Nekrolog von Rottenbuch ist er unter diesem Datum erwähnt, während das Sterbebuch von Böbing sein Ableben für den 25. März 1633 meldet. In der Pfarrkirche von Oberammergau waren zumindest im vorigen Jahrhundert noch die Grabsteine Cristeiners und Fatigas vorhanden.
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Quellennachweise für Seuchentote

Sind die beiden Pfarrer als Seuchentote nachzuweisen, so stellt sich damit natürlich die Frage nach den übrigen Verstorbenen. P. Schaller hat darauf hingewiesen, daß Andreas Pramberger, der am 20. April 1633 seine Frau Sabina verlor, am 10. August 1633 eine Margarete Milöger aus der Pfarrei Peiting heiratete. Eine aus der Verbindung hervorgegangene Tochter wurde am 21. Dezember 1634 auf den Namen Eva getauft.
Die Ehe war zu dieser Zeit ja auch eine Wirtschaftsgemeinschaft, wo jeder Ehepartner auf den anderen und dessen Arbeit angewiesen war; daher kann es nicht verwundern, daß bald nach dem Tod eines Partners der
überlebende Teil eine abermalige Verbindung einging. So starb am 24. November 1632 Margarete, die Frau des Jacob Khrigl. Am 13. Oktober 1633 heiratete der „rottman und witiber alhie“ Jacob Kriegl dann Anna
Blaickhner.
Dem Mesner Hans Stickhl wurde am 16. Juli 1621 eine Tochter auf den Namen Magdalena getauft. Am 6. Oktober 1625 ist er als Taufpate erwähnt. Nachdem er am 21. Dezember 1632 verstorben war, heiratete
seine Witwe Sabina am 17. Oktober 1633 den verwitweten Bernhard Kriegl. Die Frau dieses als „Guetförtiger“, womit damals ein Spediteur gemeint war, bezeichneten Mannes könnte die am 17. Februar 1633 verstorbene Anna Kriegl oder die am 26. März verstorbene Magdalena Kriegl gewesen sein. Weitere Beispiele für neue Verbindungen von Personen, deren Ehepartner unter den Verstorbenen von 1632/33
aufgeführt ist, ließen sich anführen.
Besteht daher an der Authentizität der Totenliste kaum mehr ein Zweifel, so kann das Lehenbuch von Ettal, das die Jahre 1571 bis 1659 umfaßt, zusätzliche Hinweise geben. Dort ist notiert, daß Elias Schorn von Oberammergau am 6. Juni 1634 das halbe Viertel eines Hofs, den er erheiratet hatte, dem Kloster angesagt und bezahlt hat. Elias Schorn, Sohn des Jakob Schorn von Garmisch, hatte sich am 16. Mai 1633 mit Magdalena Nay, Witwe des Michael Nay, vermählt. Michael Nay aber ist als am 18. März 1633 als verstorben im Oberammergauer Sterbebuch vermerkt.
Am 4. November 1633 „…hat Veith Glögel zw Oberamergaw dß halbe viertel hofes, so er von seinem lieben bruedern Gallen Glöggel daselbsten erblichen an sich gebracht, das lechen angesagt und bezalt…“. Gallus 31
Glöggl war am 5. Februar 1633 verstorben; seine Witwe Catharina hatte übrigens am 11. August 1633 den ebenfalls verwitweten Kaspar Auer geheiratet.
Am 24. Januar 1635 verkaufte Georg „Prenberger“ vom Oberammergau den von seinem Vater Martin ererbten Viertelhof an den Bäcker Peter Osterriedt. Ein Martin Pramberger ist am 10. Juni 1633 verstorben, seine Frau Elisabeth starb am 23. des Monats. Übrigens heiratete eine Maria Bramberger, hinterlassene Tochter des Martin Bramberger, am 3. November 1633 Veit Ruez.
Allerdings scheint sich die Ansage der Übernahme eines ererbten Hofs bei der Lehenherrschaft manchmal etwas hingezogen zu haben, was mit den Kriegswirren, aber auch damit, daß man es nicht eilig mit der Bezahlung der damit verbundenen Abgaben hatte, verbunden sein mag. So hat etwa erst am 27. Mai 1636 Jobst Manß von Oberammergau einen Viertelhof „…von seinem schwehern Geörg Grasleitern erbs weiß an sich gebracht…“ Ein Jörg Grasleiter ist aber schon am 20. März 1632 verstorben. Schwieriger sind diejenigen Salbücher des Stifts Rottenbuch auszuwerten, die 1631 und 1636 verfaßt wurden, da Namensgleichheit und anscheinend auch die teilweise Übernahme der Aufzeichnungen vom älteren ins jüngere Buch dies erschweren. Hingewiesen sei aber darauf, daß 1631 ein „Matheüs Rainer“ als Besitzer eines Viertelhofs erwähnt ist. Nun ist ein „Mathoyß Rainner“ am 14. April 1633 im Sterbebuch von Oberammergau
verzeichnet und „Hoyß Rainers wittib“ besaß 1636 einen Viertelhof . Weiterhin erscheint im diesem Buch Johannes Linder als Hofeigentümer, der 1631 nicht genannt ist. Ein Johannes Linder von „Soyen“, Sohn eines Sebastian Linder, heiratete am 20. Juni 1633 Christina, Witwe des Andreas Glögl. Dieser Andreas Glögl war am 17. März 1633 verstorben. Auch im 1625 angelegten und bis 1659/60 reichenden Zinsbuch der Pfarrei Oberammergau ist Linder erwähnt. Über einen Acker ist notiert, daß diesen „…an jetzt Johannes Lind[er] alhie niest und sein, Linders vofahrer Andre Glöggl…erkhaufft…“ hat.
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10. Die Pest der Jahre 1634/35

Kann man also von einer Seuche in den Jahren 1632/33 in Oberammergau ausgehen, die das Passionsspielgelübde zur Folge hatte, so erscheint es doch unwahrscheinlich, daß 1634/35 niemand im Ort der Pest zum Opfer gefallen ist. In Böbing etwa sind im Jahr 1635 mit 81 Toten die meisten Sterbefälle von 1628 bis 1638 vermerkt, wobei aber auch 1633 die Für Ohlstadt und Weichs wird berichtet, daß vom 19. September 1634 bis zum August 1635 „…grosse und klaine 100 und uber 14 pershonen an der pest gestorben…“ sind. Auch sagt eine bei Daisenberger nicht zitierte Stelle der schon erwähnten Chronik folgendes aus: „Anno1634 Sind die Schwedische Soldaten in das Schwaben und Bayerland gekommen… Nach
diesen Schrecken ist der Sterb gekommen in alle Winkl, über die helfte Leuth sind gestorben, verdorben und Vertrieben worden.“
Das Sterbebuch von Garmisch nennt mehrere Pesttote, der erste ist am 28. Juni 1634 erwähnt. Allerdings ist die Zahl der Verstorbenen 1634/35 in Garmisch gegenüber den Jahren davor und danach nicht wesentlich erhöht, was auf einen eher glimpflichen Verlauf der Seuche hinweisen könnte, doch fehlen Sterbeeinträge für November und Dezember 1634. Der Werdenfelser Pfleger berichtete 1634 nach Freising, daß „…es in Garmisch mit der Infection gut stehe…“, und angeblich hat eine Auswertung der Steuerlisten ergeben, daß die Auswirkungen der Epidemie hinter den bisherigen Annahmen weit zurückblieben.
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11. Die Notwendigkeit weiterer Forschung

Vielleicht haben auch die Oberammergauer wenigstens damals Glück gehabt und sind besser davongekommen als 1632/33. Dieser Annahme würde die oben erwähnte eine Meßstiftung ebensowenig entgegenstehen wie der Bericht, daß im ganzen Land die Leute massenweise gestorben sind. Klarheit darüber ist, wenn überhaupt, nur durch eine systematische Auswertung aller einschlägigen Quellen zu gewinnen, die in diesem Rahmen nicht geleistet werden kann. Es dürfte jedoch mit dem hier Gesagten erwiesen sein, daß die 1632/33 grassierende Seuche aufgrund ihres Ausmaßes durchaus die Ursache für das Passionsspiel gewesen sein kann.
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